Der Tag des großen Aufräumens
Der starke Regen kam punktuell, kurz und kräftig. Besonders betroffen war Westerngrund. Dort quoll der Westernbach so stark an, dass die Brücke in Unterwestern die Massen nicht mehr fassen konnte und in der Lindenstraße das Wasser etwa 75 Zentimeter hoch stand.
»Überall hängt noch Treibholz. Es wird bestimmt eine Woche dauern, bis alles aufgeräumt ist«, sagt Bürgermeister Josef Kilgenstein. Aber die Gemeinde hatte Glück im Unglück, denn Straßen und Brücken sind in Ordnung.
»Wir haben fest geschlafen. Erst gegen 6 Uhr kam der erste Anruf, dass die Feuerwehr schon seit 2 Uhr im Einsatz ist und Wasser aus den Kellern pumpt«, schildert der Rathauschef.
Gestern suchte Kilgenstein viele Geschädigte auf, um sich ein Bild zu machen. Die Gemeinde will, soweit es ihr möglich ist - finanziell beteiligen.
Viele Privatleute sind in Westerngrund betroffen, aber auch Gewerbetreibende blieben nicht verschont. In der Gaststätte von Jürgen Ries sind die gesamten Lebensmittelvorräte unbrauchbar. Waschmaschine, Trockner, Kühlschränke und Gefriertruhen sind kaputt. Den Schaden beziffert er auf etwa 15 000 Euro, zumal nachts eine Spezialfirma das Heizöl absaugen musste.
Das Hochwasser im Westernbach floss weiter nach Schöllkrippen, wo es im Bereich Linden-, Laudenbacher- und Waagstraße in die Kahl gelangte. Dort ist der Hochwassermesspegel angebracht, der um 4.45 Uhr seinen Höchststand bei 3,26 Meter erreichte.
Hier sind überwiegend Geschäftsleute ansässig. Martin Denk und sein Café scheinen mit rund 2500 Euro Schaden glimpflich davon zu kommen: »Das Tor und zwei Kühlschränke sind kaputt«, bilanziert er. Das Unwetter hatte er intensiv mitbekommen, da er um 3 Uhr mit dem Backen anfangen wollte. Aus Erfahrungen mit dem Hochwasser vom August 1981 hatte er zwei Pumpen angeschafft. »Die Sandsäcke haben zwar nicht gereicht, aber die Feuerwehr aus Kleinkahl war eine große Hilfe«, bedankt er sich.
»Bei uns im Geschäft, im Erdgeschoss, standen mindestens zehn Zentimeter Wasser«, sagt Alexandra Eisenhart vom gegenüberliegenden Schuhhaus. Der Teppichboden ist entfernt, Trockengeräte laufen und die Kunden können einkaufen. Den Schaden schätzt die Chefin auf etwa 25 000 Euro. Eine Versicherung gibt es nicht, weil das Geschäft im Hochwassergebiet liegt. Ihre Schwester Ulrike Staab wohnt über den Geschäftsräumen. Sie wurde erst durch den Anruf des Vaters geweckt, und als sie aus dem Geschäft raus wollte, musste ihr die Feuerwehr beim Öffnen der Tür, die nach außen aufgeht, helfen.
Rainer Skok, Geschäftsführer der Verwaltungsgemeinschaft Schöllkrippen, erzählt, dass das Wasser bei seinem Vater in der Waagstraße diesmal sogar höher war als 1981. »Den größten Schaden haben die Privatleute, da fallen die kaputten Feldwege gar nicht so sehr ins Gewicht«, ergänzt er.
In Blankenbach gehören insbesondere Privatleute, wie der Feuerwehrkommandant, der am tiefsten Punkt in der Bahnhofstraße wohnt, und der Musikverein, der sein Jubiläum feiern wollte, zu den Leidtragenden.
»Dank des tatkräftigen Einsatzes der Feuerwehr und von Privatleuten sowie des Bürgermeisters Jürgen Niegisch, der krank von zu Hause aus koordinierte, und Dank des Verständnisses der Gastkapellen mussten wir unser Fest nur teilweise abbrechen«, sagt Vereinsvorsitzender Martin Schäfer.
Obwohl am Sonntagnachmittag noch viele Festbesucher gezählt wurden, werde die Veranstaltung wohl im Minus enden. Zum einen, weil nicht so viele Gäste kamen, wie es ohne Unwetter sicherlich gewesen wären, und zum anderen muss der Musikverein mit Mehrkosten rechnen.
»Es gab einige leichte Erdrutsche, doch die Straßen sind nicht beschädigt. Den Schaden können wir noch nicht beziffern, aber er dürfte nicht sehr hoch sein«, sagt Heinz Baum, Geschäftsführer des Marktes Mömbris. Genauso schnell, wie das Hochwasser der Kahl gekommen sei, sei es gefallen: die Meldestufe eins, ab einer Wasserhöhe von 1,70 Meter, wurde am Sonntag um 23 Uhr bereits wieder unterschritten. Dies, weil außer dem Westernbach alle Zuflüsse der Kahl nur relativ wenig Wasser führten. Marion Stahl
Daten über den Messpegel in Schöllkrippen gibt es auf den Internet-Seiten des Hochwasser-Nachrichtendienstes unter www.hnd.bayern.de.
red
Main-Echo vom 30.05.2006